Andere Länder, andere Sitten

Orientalische Lampen in einem Laden in Kappadokien, als Symbol zu andere Länder, andere Sitten.

Andere Länder, andere Sitten: die Türkei

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Wie heißt es doch so schön: ,,Andere Länder, andere Sitten.“ Das durfte ich vergangene Woche auf meiner Reise nach Kappadokien (in der Türkei) einmal mehr spüren. Nicht aber wegen dem Land oder den Menschen vor Ort, sondern wegen den in Deutschland. Menschen, Mentalitäten und Meinungen sind von Land zu Land, manchmal ja sogar schon von Stadt zu Stadt unterschiedlich. Das finde ich spannend.

Besonders spannend finde ich aber vor allem, wie sehr über die Sitten von anderen Ländern auf dieser Erde geschimpft wird. So wurden nicht nur bei Facebook und Instagram, sondern auch innerhalb meiner Familie einige Aussagen wie ,,also in die Türkei würde ich niemals reisen“ und ,,pass da bloß auf dich auf“ getätigt. Im ersten Moment konnte ich die Aussagen total verstehen und fühlte mich mit der Auswahl meines Reiseziels nicht wohl, doch im zweiten Moment fühlte ich nichts anderes als Enttäuschung gegenüber diesen Aussagen. Warum? Weil sie voller Klischees, Pauschalisierungen und Abgrenzungen stecken. Mein Sonntagsartikel über andere Länder und andere Sitten.

Mister Matthew im orientalischen Laden in Kappadokien.

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 ,,Was dieser Erdogan abzieht, geht gar nicht klar.“

,,Alle die eine andere Meinung haben, werden verfolgt und verhaftet.“

,,Man muss ja regelrecht Angst um sein Leben haben, wenn man dorthin reist.“

,,Alle Frauen in der Türkei werden unterdrückt.”

,,Ich kann dieses Land nicht unterstützen.“

,,Deutschland und die EU sollten dort mehr eingreifen.“

,,Pass bloß auf dich auf.“

Das ist nur eine kleine Auswahl an Kommentaren, Nachrichten und Aussagen, die ich von Freunden, Familie und Lesern bekommen habe. Im Grundton kann ich vollkommen verstehen, wie diese Aussagen gemeint sind. Auch ich – und das möchte ich einmal mehr betonen – kann nicht alles aus der türkischen Politik und Gesellschaft für gutheißen (man denke nur zum Beispiel an die Wahlen oder Ehrenmorde) und hätte es selbst als offen homosexuell lebender Mann in der Türkei auf Dauer recht schwer. Auch ich finde, dass Dinge wie sexuelle Vielfalt, Meinungs-, Presse-, und Kunstfreiheit in einer modernen Gesellschaft indiskutabel und von essentieller Bedeutung sind. Dennoch fühle ich mich mit den obigen Aussagen nicht wohl, weil sie ein ganzes Land, eine ganze Bevölkerung und ihr Denken über den Kamm scheren.

Wie fände ich es, wenn Menschen in anderen Ländern so über Deutschland reden und schimpfen würden? Ich fände es nicht gut und würde mich durch Klischees und Pauschalisierungen verurteilt wissen, für Dinge und Meinungen, die ich gar nicht vertrete. Wie würden die Aussagen der Türkei und den Menschen dort gegenüber Deutschland ausgerichtet lauten? Vielleicht etwa so:

,,In Deutschland leben nur Nazis.“

,,Was diese Merkel abzieht, geht gar nicht klar.“

,,Man muss sich ja regelrecht schämen, wenn man in Deutschland ein Ausländer ist.“

,,Alle Frauen in Deutschland sind leicht zu haben.”

,,Ich kann Pegida und AFD echt nicht unterstützen.“

,,Amerika und andere Länder sollten dort mehr eingreifen.“

,,Pass bloß auf dich auf.“

Über andere Länder, andere Sitten, lassen sich zu jedem Ort auf der Welt solche Aussagen aufstellen. Einige würden sehr gut passen und stimmen, andere wären wieder ein absoluter Griff ins Vorurteile-Klo. Und wenn ich ein was mit meinen 22 Jahren weiß, dann, dass Vorurteile noch nie zu einem besseren Verständnis oder gar zu Frieden geführt haben. Ganz im Gegenteil. Sie grenzen ab und aus.

Wie können sich Deutsche und Türken besser verstehen oder gar annähern, wenn beide Seiten wie wild mit Klischees und vorgefertigten Phrasen entgegen den anderen um sich werfen? Wie kann ein gemeinsamer Diskurs und am Ende vielleicht eine beidseitig passende Lösung gefunden werden, wenn gesellschaftliche Mauern und Grenzen gebaut werden? Es ist so gut wie nicht möglich.

,,Über andere Länder, andere Sitten, lassen sich zu jedem Ort auf der Welt solche Aussagen aufstellen. Einige würden sehr gut passen und stimmen, andere wären wieder ein absoluter Griff ins Vorurteile-Klo."

Porträt von Mister Matthew, der über andere Länder, andere Sitten nachdenkt.

Die Ironie über andere Länder, andere Sitten

Besonders spannend und traurig finde ich auch, wie Teile der Gesellschaft solche Aussagen wie ,,copy und paste“ aus Medien und anderen Meinungen kopieren und für die Eigenen verkaufen. Natürlich ist es leicht, sich mit Phrasen über ein Land wie die Türkei aufzuregen, welches in den letzten Monaten und Jahren massiv durch die Berichterstattungen der Massenmedien ging. Was war die Kritik an Erdogan in den Nachrichten und Satiresendungen groß. ,,Da kann ich ja mitreden“, scheint sich ein Jeder zu denken. Die Ironie über andere Länder, andere Sitten.

Doch wie sieht es eigentlich mit ,,deiner“ Echauffierung gegenüber anderen Ländern aus? Erstaunlicherweise, blieben zu meiner Reise nach Tansania letztes Jahr im Mai sämtliche Vorurteile und negative Aussagen gegenüber Land, Politik und Menschen aus. Wie kann das sein? Immerhin bin ich in ein Land gereist, welches homosexuelle Menschen verhaftet. Wo waren hier die Empörungen, die Standard-Sätze, die ,,pass-auf-dich-auf-Aussagen“? Ich komme nicht umhin mich zu fragen: muss Empörung erst bekannt und Mainstream genug sein, bevor sie Gewicht hat? Scheinbar. Denn auch als einige Monate später in Die Welt über eine Hetzjagd auf Schwule in Tansania berichtet wurde, blieb eine allgemeine Empörung aus.

Ebenso ist es mit dem Brand der Notre Dame zu vergleichen. Was waren hier die Berichterstattungen und die daraus resultierenden Empörungen und Beileidsbekundungen groß. Keine Woche zuvor brannten in Louisiana drei Kirchen nieder. Keinen hat es interessiert. Keiner hat auch nur den Mund auf gemacht und ein Wort gesagt. Scheinbar muss etwas im absoluten Zentrum der Menschheit stehen, um die ungeteilte Aufmerksamkeit zu bekommen. Die Türkei ist in diesem Zentrum. Tansania wohl nicht. Was eine Ironie über Länder und Sitten.

Mister Matthew steht in einem Lampenladen in Kappadokien. Über andere Länder, andere Sitten im Sonntagsartikel.

Osten-Westen-Süden-Norden

Andere Länder haben andere Sitten. Das ist eine Aussage, die wir bereits als Kind, wenn wir mit unseren Eltern verreisen, in unser Ohr gelegt bekommen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass wir Deutschen besonders anfällig für Klischees und Vorurteile sind. Oder irre ich mich da? Denn selbst innerhalb unserer Kreise, innerhalb unseres Landes, fahren wir mittlerweile die Empörung auf, wenn wir an andere Bundesländer denken.

,,Im Osten sind alle braun.“
,,Im Westen sind alle versnobt.“
,,Im Süden sind alle konservativ.“
,,Im Norden sind alle doof."

Und Reisen wir dennoch in andere Teile von Deutschland? Ich hoffe doch sehr. Für meinen Teil kann ich sagen, dass ich es tue. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass mir jeder, der die vier Klischeesätze zu Osten-Westen-Süden-Norden liest, recht gibt, dass es vielleicht erkennbare Tendenzen aber keine für alle Bewohner dieser Gegend zutreffende Aussagen sind. Denn während im Osten nicht alle braun sind, ich bin der lebende Beweis dafür, sind auch im Westen nicht alle Snobs. Und genau so verhält es sich eben auch mit der Türkei. So schade und dämlich ich die Pauschalisierung gegenüber den Teilen in Deutschland finde, so weltfremd finde ich ein solches Denken auch gegenüber der Türkei.

Natürlich stimmt der Satz ,,andere Länder, andere Sitten“ in gewisser Weise und es lassen sich viele negative Dinge in der Türkei finden. Auch ich kann nicht, wie Eingangs schon erwähnt, alles aus und in der Türkei für gutheißen. Aber einige Aussagen und Ansichten gegenüber diesem Reiseziel finde ich dann doch etwas unangebracht und über das Ziel hinausgeschossen.

Orientalische Lampen in einem Laden in Kappadokien, als Symbol zu andere Länder, andere Sitten.

Andere Planeten, andere Sitten

Statt das Bereisen und somit Kennenlernen von anderen Ländern und Sitten auszuschließen, sollten wir meiner Meinung nach einmal mehr mit diesen in Kontakt treten. Letztendlich auch deshalb, um ihnen vielleicht an einigen Stellen zu zeigen, wie man es besser machen könnte. Kennen- und verstehen -lernen, optimal auch einen Konsens finden, ohne dabei eigene Sitten zu verlieren.

Und auch wir Deutschen sind mit unserem Land und unseren Sitten nicht perfekt und können gewiss von anderen Orten der Welt lernen. Erwähnt sei hierbei unsere deutsche, oft sehr eiskalte Mentalität. Würden wir ständig danach beurteilt werden, dann würde wohl kaum jemand aus der Welt Kontakt zu uns aufnehmen wollen, geschweige denn nach Deutschland reisen. Und Apropos Kontaktaufnahme: sollte sich irgendwann in der Zukunft ein anderer Planet finden lassen, auf dem auch Lebewesen ihre ganz eigenen Sitten leben, sagen wir dann immer: ,,Andere Planeten, andere Sitten?“. Gut vorstellbar. Doch anders als mit der Türkei, wöllte dann jeder diesen Planeten besuchen wollen.

Mister Matthew
Mister Matthew

Mister Matthew ist der Autor hinter dem gleichnamigen Modeblog für Männer: »Mister Matthew«. Seit 2014 berichtet er über die Themen Mode, Kosmetik, Lifestyle und Interior. Einzigartig in der deutschsprachigen, männlichen Bloggerszene, transportiert er auf seinem Blog individuelle als auch hochwertige Inhalte, auf künstlerische sowie ästhetische Art und Weise. Immer mit einem gewissen Twist möchte er seine Leserschaft zu den schönen Seiten des Lebens einladen. Wenn Luxus auf Haltung trifft, begegnet man Mister Matthew. Herzlich willkommen.

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