
Kleider für Männer
Es ist 2003. Ich stehe mit meiner Schwester in unserem Kinderzimmer und spiele Aschenputtel. Meine Schwester ist das Aschenputtel. Ich bin die böse Stiefmutter. Beide tragen wir Kleider. Ihres ist altrosa, meines ist schwarz. Wir spielen und haben Spaß. Nichtsahnend, in welcher intoleranten Welt wir doch leben. Würde ich heute als Mann mit einem schwarzen Kleid auf die Straße gehen, würde ich wohl deutlich weniger Spaß als beim Spielen mit meiner Schwester haben. Das ist traurige Realität. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie ich Kleider für Männer getragen haben. Obwohl. Strenggenommen waren es Kleider für Frauen. Sollte man da überhaupt einen Unterschied machen? Eigentlich nicht. Aber wie weit gewünschte und tatsächliche Realität manchmal auseinander liegen, zeigt sich bei der Thematik der Kleider für Männer.


Ich würde gerne mehr Kleider für Männer tragen, …
… aber ich traue mich nicht. Gerne würde ich in einer Welt leben, in der Röcke und Kleider für Männer als genauso normal angesehen werden wie für Frauen. Was einst Marlene Dietrich mit dem Tragen der Hose für Frauen erreichte, steht der Thematik der Kleider für Männer noch lange bevor. Auch wenn die gewünschte Realität so aussieht, dass man mit bestem Beispiel vorangehen sollte, ist die tatsächliche Realität eine komplett andere. Woran das liegt? An Scham – und der Angst der Ausgrenzung.
Dabei spreche ich aus einer noch sehr privilegierten Position. Ich habe damit absolut kein Problem, Hosen zu tragen. Dadurch fällt es mir leicht, den Weg des geringsten Widerstands zu wählen: eben keine Kleider für Männer tragen. Doch wie sieht es in einem Mann aus, der sich als solcher nicht fühlt und folglich auch nicht ist? Nonbinary und transsexuell sind keine coolen Begriffe der Neuzeit, sondern tatsächliche, anzuerkennende Sammelbezeichnungen außerhalb der angeborenen, historisch gewachsenen, binären Geschlechtseinteilungen. Wie geht es diesen Menschen, wenn sie aus Scham das Tragen von Kleidern unterlassen? Eine Frage, die in unserer Gesellschaft überhaupt nicht stattfindet. Ich unterstelle der Mehrheit in dieser Gesellschaft fehlende Empathie.
Gerne möchte ich euch Männer oder *bitte Geschlechtsidentität eintragen* _______________ dazu aufrufen, Kleider zu tragen. Wenngleich ich selbst den Mut derzeit noch nicht besitze, würde ich mir wünschen, dass ich auf den Straßen nicht nur Kleider an biologischen Frauen zu Gesicht bekomme. Es wäre ein wichtiger und richtiger Schritt in eine Zukunft, in der Kleider für Männer den Hosen für Frauen gleichgestellt sind. Auch wenn die Empathie meist mit als erstes stirbt, stirbt die Hoffnung doch am letzten.
So würde ich Kleider für Männer tragen
Würde ich Kleider für Männer tragen (und dies wird in 2021 geschehen. Nicht nur für ein Shooting), dann würde ich ein cooles, kurzes, schwarzes Kleid, kombiniert mit schwarzen, groben Boots tragen. Was mir hierbei besonders gut gefällt ist, dass sich Weiblichkeit und Männlichkeit in einem Outfit begegnen. Zumindest dann, wenn man den heteronormativen Blick beim jeweiligen Betrachten der zwei Kleidungsstücke einnimmt. Ein perfektes Outfit für einen sommerlichen Partyabend mit Freunden. Ob das nach einem Plan klingt? Nein, nach einer Ankündigung. 2021 wird ein spannendes Jahr. Vor allem auch modisch – für mich.
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